2.4. Bremsenergierückgewinnung

Die Bremsenergierückgewinnungstechnologien haben sich vor kurzem zu einem neuen Markt entwickelt, da der öffentliche Nahverkehrssektor und die Industrie in Forschung und Entwicklung in diesem Bereich investiert haben. Verschiedene Technologien wetteifern auf diesem Sektor miteinander mit keiner klar führenden Technologie. Jede Technologie hat, je nach Kontext Vor- und Nachteile aufzuweisen.

Die T2K-Partner haben die Energierückgewinnungstechnologien ausführlich untersucht. Drei der T2K-Partner haben gleichzeitig Systeme in ihren Netzen umgesetzt. Dieser gemeinsame Ansatz ist einzigartig auf der ganzen Welt und ermöglichte ihnen, bedeutende Fachkenntnis in diesem Bereich zu erwerben. Es wurde mehr als deutlich, dass die Investition von menschlichen und finanziellen Ressourcen in dieses Konzept den Aufwand lohnt, da es die Energieeffizienz von städtischen Schienennetzen wesentlich verbessern kann.

Konzept

Schienenfahrzeuge werden mit Elektromotoren angetrieben, die von Unterwerken entlang der Gleise versorgt werden. Der Strom wird über eine Oberleitung durch den Stromabnehmer im Fall einer Straßenbahn und durch eine Stromschiene entlang der gesamten Gleise im Fall einer U-Bahn zugeführt. Die neuesten Schienenfahrzeuge sind in der Lage mittels regenerativer Bremssysteme elektrisch zu bremsen. In diesem Fall kann der Elektromotor als Generator arbeiten und die kinetische Energie des Fahrzeugs zurückgewinnen und in Strom umwandeln. In diesen Fahrzeugen kann ein kleiner Teil dieser kinetischen Energie zur Versorgung von Fahrzeugzubehör (Heiz- und Kühlgeräte, Anzeigen etc.) wiederverwertet werden, die übrige Energie kann wieder ins Netz eingespeist und somit nur wiederverwertet werden, wenn ein Fahrzeug in der Nähe beschleunigt. In diesem Fall zieht das beschleunigende Fahrzeug einen Nutzen aus dieser Energieübertragung. Andernfalls steigt die Netzspannung aufgrund des Energieüberschusses an und diese Zusatzenergie muss in Bremswiderstände abgegeben werden. Dieses Prinzip ist in der Abbildung oben veranschaulicht.

Abb. 34 – Konzept der Nutzbremsung auf einem Schienennetz


 

Diese Energieübertragungen zwischen den Fahrzeugen hängen von Parametern wie der Verkehrsdichte, den Abständen zwischen den Stationen oder den Gefällen ab. In einem U-Bahnnetz umfassen diese Übertragungen gewöhnlich 20-30 % des Gesamtverbrauchs.

In vielen Situationen kann die Energie allerdings nicht vom Netz verwertet werden, da kein Fahrzeug exakt dann beschleunigt, wenn ein anderes bremst. Um diesen Energieverlust zu vermeiden und den Gesamtenergieverbrauch zu senken, wurden mehrere Anwendungen entwickelt.

Anwendungen

Bremsenergierückgewinnung können in drei Gruppen klassifiziert werden:

  • Mobile Speicheranw
  • Stationäre Speicheranwendungen
  • Stationäre Rückspeisungen in das Netz.

Mobile Speicheranwendungen

Abb. 35 – Konzept eines mobilen Energierückgewinnungssystems an Bord eines Fahrzeugs


 

Mobi le Speicheranwendungen bes tehen aus On-Board-Energiespeichersysteme (ESS), die sich gewöhnlich auf dem Fahrzeugdach befinden und bei denen jedes System unabhängig funktioniert. Wenn die zurückgewonnene Energie nicht von einem anderen Fahrzeug in der Nähe verwendet werden kann, wird die Energie direkt dem Speichersystem am Fahrzeug zugeführt. Die gespeicherte Energie wird dann für den Antrieb des Fahrzeugs bei der Beschleunigung oder zur Versorgung seiner Hilfsgeräte (Heizung, Kühlung, Beleuchtung, etc) eingesetzt.

Stationäre Speicheranwendungen

Abb. 36 – Konzept eines stationären Energierückgewinnungssystems entlang der Gleise


 

Stationäre Speicheranwendungen (an der Strecke) bestehen aus einem oder mehreren Energiespeichersystemen, die entlang der Gleise angebracht sind. Sie können die Energie von jeglichem bremsenden Fahrzeug zurückgewinnen und jegliches beschleunigende Fahrzeug antreiben.

Stationäre „Netzrückspeise-“Anwendungen

Abb. 37 – Konzept eines reversiblen Unterwerks (Umrichters), das den rückgewonnenen Strom wieder ins Netz einspeist


 

Der Hauptunterschied zu den vorangehenden Anwendungen ist, dass „Netzrückspeise-“Anwendungen die zurückgewonnene Energie nicht speichern. Stattdessen speisen sie die Energie ins Stromnetz ein, damit sie von anderen Verbrauchern genutzt oder möglicherweise an den Energieverteiler zurückverkauft werden kann.

Vergleich der Anwendungen

Table 8 – Vergleich von Bremsenergierückgewinnungsanwendungen für städtische Schienenfahrzeuge

  Mobiles speichersystem Stationäres speichersystem reversible unterwerke
Oberleitungs- oder Stromschienenverluste werden verringert x    
Hohe Effizienz aufgrund geringerer Umwandlungs- und
Speicherverluste
    x
Die rückgewonnene Bremsenergie kann Elektroinstallationen
versorgen (Beleuchtung, Rolltreppen, etc.)
    x
Fahrzeuge können auf kurzen Abschnitten ohne
Oberleitungen/Stromschiene betrieben werden
x    
Die Systeme können installiert werden, ohne das die Fahrzeuge
angepasst werden müssen
  x x
Geringere Sicherheitsauflagen, da nicht an Bord der Fahrzeuge   x x
Tunnel- und Stationserwärmung kann durch eine Verringerung der von
den Bremswiderständen produzierten Wärme vermieden werden
x x x
Möglichkeiten der Spannungsstabilisierung und des Spitzenausgleichs x x  

Jede Anwendungsart hat Vor- und Nachteile, die in der oben dargestellten Tabelle zusammengefasst sind.

Technologien

Die vorher beschriebenen Anwendungen können sich auf verschiedene Technologien stützen:

  • Eine Batterie speichert Energie über eine elektrochemische Reaktion. Batterien gibt es in den unterschiedlichsten Größen und Nennleistungen.
  • Ein Superkondensator ist ein elektrochemisches Speichergerät, in dem die Energie als Konzentration von Elektronen auf der Oberfläche eines Materials gespeichert wird. Es findet keine chemische Reaktion statt. Sie füllen die Lücke zwischen konventionellen Kondensatoren und Batterien und können eine mindestens zehnfach höhere Leistung als die meisten Batterien von gleichwertiger Größe liefern.
  • Ein Schwungrad ist ein rotierendes Rad, das sich um eine Achse dreht und zur mechanischen Speicherung von Energie in Form von kinetischer Energie eingesetzt wird. Das Schwungrad funktioniert, indem es einen Rotor auf eine sehr hohe Geschwindigkeit beschleunigt und die Energie im System als Rotationsenergie aufrechterhält. Schwungräder können eingesetzt werden, um Leistungsspitzen zu ermöglichen.
  • Die meisten konventionellen Unterwerke ermöglichen ausschließlich einen unidirektionalen Energiefluss. Ein reversibles Unterwerk verwendet einen Wechselrichter, der der Energie ermöglicht, in beide Richtungen zu fließen. Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Speichertechnologien wird die zurückgewonnene Bremsenergie nicht gespeichert, sondern zurück ins Stromnetz eingespeist.

Die Speichertechnologien unterscheiden sich in Bezug auf die Leistungs- und Energiedichte. Superkondensatoren haben eine relativ niedrige Energiedichte, aber eine hohe Leistungsdichte (schnelle elektrische Reaktion), wohingegen Batterien eine höhere Energiedichte, aber eine niedrige Leistungsdichte (langsame elektrische Reaktion) aufweisen. Schwungräder haben auch eine relativ hohe Leistungsdichte.

Umsetzung

Sowohl die mobilen als auch die stationären Systeme zielen auf eine Verringerung des Gesamtverbrauchs der U-Bahnund Stadtbahnnetze. Bis jetzt ist weltweit nur eine sehr begrenzte Anzahl Systeme im öffentlichen Nahverkehrsbereich umgesetzt worden. Die meisten Systeme befinden sich noch in der Prototypphase, was es den Verkehrsbetreibern schwierig macht, Investitionsentscheidungen angesichts des mangelnden Erfahrungshintergrunds und den Unsicherheiten in Bezug auf Rendite und Life-Cycle-Kosten zu treffen. Die Preise könnten aufgrund von technologischen Weiterentwicklungen und geringeren Materialkosten sinken, wenn dieser Markt expandiert.

Abb. 38 – Vergleich von Speichertechnologien

Während des gesamten Ticket-to-Kyoto-Projekts hat es sich für die Partner gezeigt, dass es nicht einfach ist, Technologien zu vergleichen, ähnliche Leistungen zu bewerten und die optimale technologische Lösung zu bestimmen. Die am besten angepasste Technologie zu finden und sich für die richtige Umsetzung zu entscheiden, erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem viele Parameter berücksichtigt werden.

Ein Schlüsselelement bei der Untersuchung der Bremsenergierückgewinnungstechnologien ist die Simulation. Eine umfassende Analyse des Netzes und eine klare Bewertung möglicher Potenziale sind zu empfehlen. Die meisten Lieferanten bieten ihre Dienste und Erfahrungen in diesem Bereich an. Die Ergebnisse können aber durch das Interesse an einem Verkauf ihrer eigenen Geräte beeinflusst sein, die nicht immer die passendsten sein müssen. Aber auch Beratungsunternehmen entwickeln Simulationsinstrumente für diesen Zweck und können eventuell neutralere Bewertungen anbieten.

Aspekte

Jeder Betreiber, der bereit ist, in ein Bremsenergierückgewinnungssystem zu investieren, sollte zumindest die folgenden Aspekte berücksichtigen. Sie haben direkte Auswirkungen auf die Energieeinsparungen und auf die Art, wie die Systeme umgesetzt werden können.

Netzbezogene Aspekte

  • Eigentümer des Stromnetzes
  • Konfiguration des Stromnetzes
  • Verkehrsdichte
  • Netztopologie
  • Fahrzeugtyp
  • Wetter und Temperatur

Umsetzungsaspekte

  • Standortwahl
  • Anzahl Systeme
  • Systemgröße und -gewicht
  • Kühl- und Lüftungsanforderungen
  • Wetter- und Temperatureffekte
 

Umweltaspekte

  • Einsatz von schädlichem
  • Lärm und Erschütterungen
  • Elektromagnetische Interferenz

Finanzielle Aspekte

  • Lebensdauer
  • Lebenslaufkosten (Wartung und Austausch)
  • Return on Investment